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Deine Farben tragen mich
durch das Grau,
küssen mich wach,
wenn ich nicht mehr
sehen kann,
sind Arme, die mich
nicht tragen,
denn ich will nicht getragen
werden, aber 
gehalten.
Du hältst mich,
mit deinem Atem, der die
Nacht belebt,
mit deinen Lippen,
die den Frost
schmelzen.

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Es gibt Momente, da bin ich sicher,
dass wir zu unterschiedlich sind,
und dann warte ich 
darauf, dass wir
uns nichts mehr zu sagen haben.
Im Kopf zähle ich die Liste herunter, 
warum es zwischen
uns nichts werden
kann, 10, 9, 8,
zähle die Fehler,
7, 6, 5,
warte auf 1,
dann ist es vorbei.
Aber bei 4
sagst du etwas,
tust etwas,
lässt das ganze
Kartenhaus und
meine Mauer 
einstürzen.
	Hoffnung.

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Ich hatte einen Anfall.
Plötzliches Vermissen.
Oder war es eine Welle,
die mich überrollt
hat?

Übermorgen sehen wir uns
und von einer Sekunde
auf die andere halte
ich es nicht
mehr aus.

Ich will dich.
Will deine Stimme.
Dich neben mir wissen.
Oder dich einfach nur
atmen hören.

#Lockdown

Liebes Tagebuch,

Alles doof.

Ich trau mich gar nicht mehr in Zoom, so bescheuert sehe ich aus.

#Lockdown

Liebes Tagebuch,

Ich habe mich endlich durchgerungen, den Heimtrainer regelmäßig zu benutzen. 

Ich denke dabei an viele Filme.

Ich bin vom Lifestyle wegen her endlich bei Hollywood angekommen.

#Lockdown

Liebes Tagebuch,

Es hat drei Tage geschneit. Ich wollte einen Tweet schreiben: „Endlich wird der Schnee mal weggeräumt. Wie verhält man sich da, stellt man sich daneben und klatscht?“

Aber dann dachte ich an die armen Menschen die im wie heißt das Krankheitssektor, Gesundheitssektor, na die Krankenschwestern und -brüder, die Pflegepersonen, die im ersten Lockdown den Applaus bekommen haben und sonst nichts. Deshalb hab ich mich auch nicht mehr getraut zu klatschen, weil dann wären die vielleicht betröppelt.

Vorher wollte ich einen anderen Tweet schreiben 

„Stellt sich die Schneebrigade tot oder wie erklärt sich, dass der Schnee nicht weggeräumt wird? Budget verbraucht? Alle im Homeoffice? Oder“

Den hab ich sogar noch im Entwürfeordner. Bei dem „Oder“ hab ich angefangen, über Verschwörungstheorien nachzudenken. Vielleicht ist das ja ein Regierungsprogramm, geheim natürlich und von Gates finanziert. „Lasst den Schnee liegen, dann bleiben sie drin.“

Sie hatten sich natürlich lange über den Titel gestritten, er ist halt nicht so sophisticated. Aber die PR-Agentur von Bill Gates konnte sich schließlich durchsetzen.

Übrigens sind die mit dem Schneeschieben jetzt fertig. Von der Haustür bis zum Gehweg ist jetzt frei. Jetzt ist der Staat dran. Oder die Stadt. Kommt drauf an, wen man fragt. Aber diesen Winter fragen wir nicht mehr. Wir denken auch nicht mehr. Macht keinen Sinn. Sonst hätten wir vielleicht noch Lust, was zu sagen. Und das ist zwischen den Extremen nicht mehr lustig.

#Lockdown

Liebe Freundin,

Blumen kaufe ich gerade im Supermarkt. Hat die Ästhetik von Klopapier. Klopapier ist nützlich. Klopapier war der Hamsterburner im letzten Lockdown. Zusammen mit Hefe und Mehl. 

In diesem gibt es Klopapier. Dafür keine Eiern mehr beim Bauern. Die Leute schleppen wohl 8 bis 10 Packungen raus. Manchmal stell ich mir vor, wie die deutsche Mutti Eierlikör kochend in der Küche steht, während die Kinder sich mit dem Klopapier vom letzten Jahr mumifizieren. Alle lachen und sind fröhlich. Skurrile Phantasie. It’s about the small things.

Ich glaub, ich koch dann auch mal Eierlikör, is ja bald Ostern. Gehe gleich mal in den Supermarkt, der macht in einer halben Stunde auf. Die letzten Tulpen sind auch schon tot. Yay, aufregend. Neue Blumen kaufen.

Fernlust im Literaturautomat

Von Juli bis September ist "Fernlust" im Literaturautomat. Und hier findet ihr sie:

// Düsseldorf: 
Zakk
Zoopavillion
Junges Schauspiel
// Köln: 
Alte Feuerwache
// Monheim:
Ulla-Hahn-Haus
// Krefeld:
Werkhaus
// Regensburg:
Kultuer

Skandinavien aber beginnt in Pankow.

Gleich hinter den Häuserecken, dem schmiedeeisernen Tor, hinter den Fenstern der Buchhandlung, Souterrain, dann links. Durch die endlose Steppe, Birkensummen. Wo die riesigen Mondrakten schlafen, rostend, halb verfallen. Hinter diesem Baum ein Kuss, dort vergruben wir uns, ineinander, im Sommerlicht. Fasane stieben auf, wir satteln die Räder, nach Norden.

Als der Sommer demontiert wird, die Kulisse abgebaut, jemand trägt ein Bündel Sonnenlicht fort, färbt das Meer sich grau.
Eine Segelyacht stehlen, Leinen los. Auf Höhe Bornholm treffen wir John von Düffel, im Wasser, gestreifte Badekappe, kurzer Dialog vom Deck herab, er schwimmt heute noch nach Helsinki. Abends entzünden wir ein Lagerfeuer und dann, aneinander, uns.

Am Nordkap sammeln wir die Mitternachtssonne ein. In Flaschen abgefüllt, nach ganz Europa, Direktvertrieb. Du blickst Horizonte. Ein Schweigen schleicht sich ein. Abends sinken wir in traumlosen Schlaf. Draußen die Brandung, als wäre noch etwas ungesagt, die schwarzen Wasser reichen bis in die Nacht.

(Gastbeitrag von Michael Held, den ich auf Twitter und Instagram treffen durfte: 
@barcelonalien.)
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